Migräne | Ursachen, Verlauf & Behandlung

Was ist Migräne?
Blitzartige Kopfschmerzen, die sich wie ein Stich mit einem Messer anfühlen und sich dann ausbreiten, so beschreiben Migränepatienten die Schmerzen. Der pulsierende und pochende, meist halbseitige Kopfschmerz wird durch Geräusche, Bewegungen, Gerüche oder durch einen einfachen Lichtstrahl noch gesteigert. In vielen Fällen wird die Attacke von Übelkeit und Erbrechen begleitet. Manchmal kommt es sogar zu vorübergehenden neurologischen Ausfällen oder zu Seh- und Gleichgewichtsstörungen. Migräne wird durch körperliche Anstrengungen noch verstärkt und dauert von vier Stunden bis zu drei Tagen an. Migränepatienten fühlen sich den Schmerzen oft hilflos ausgeliefert. Dieser Beitrag soll einen Überblick über Auslöser, Verlauf, Arten und Behandlungsmethoden geben und darüber informieren, wie man diese Krankheit in den Griff bekommen kann.
Migräne ist deutlich mehr als einfach nur Kopfschmerzen – sie ist eine neurologische Erkrankung, die zu den häufigsten chronischen Krankheiten zählt: in Deutschland leiden 15% der Frauen und 7% der Männer darunter. Auslöser von Migräne (sog. Trigger), wie beispielsweise hormonelle Faktoren, Stress, Ernährung oder Umweltfaktoren, sind höchst individuell. Meistens wissen die Patienten selber nicht genau, was ihre Migräne auslöst. Hier kann ein Kopfschmerz-Tagebuch, das u.a. Datum, Uhrzeit, Intensität und Dauer des Kopfschmerzes erfasst, zur Identifizierung dienen.
Migräne ist eine primäre Kopfschmerzerkrankung und somit nicht die Folge anderer Erkrankungen des Gehirns. Sie ist zwar nicht heilbar, kann aber mit der richtigen Behandlung deutlich gelindert werden.


Wie unterscheidet sich Migräne von anderen Kopfschmerzen?
Der einseitig pochende Schmerz tritt in Attacken auf. Zwischen den Attacken verfliegt der Schmerz, um in der nächsten Attacke an der gleichen Stelle oder auch auf der anderen Seite wiederzukehren. Die Attacken treten meist mit folgenden Begleiterscheinungen auf:

  • Überempfindlichkeit gegen Licht (bei 60% der Fälle ), Geräusche (bei 50%), Gerüche (bei weniger als 10–30%)
  • Übelkeit (in mehr als 80% der Fälle)
  • Erbrechen (bei 40%-50% der Patienten)
  • Appetitlosigkeit (bei mehr als 80%)
  • Neurologische Ausfälle bis hin zu Lähmungen, Seh- und Gleichgewichtsstörungen (die sog. „Aura“)

Um Migräne effektiv zu behandeln, ist die präzise Diagnose das A und O. Ob es sich tatsächlich um Migräne im Gegensatz zu beispielsweise Spannungskopfschmerzen handelt, kann mit Hilfe der Checkliste der International Headache Society ermittelt werden:

Beschreibung des Schmerzes (mind. 2 der Kriterien treffen zu):

  • Einseitig (Seitenwechsel ist möglich)
  • Pulsierend
  • Mittelmäßig – stark
  • Verschlechterung durch körperliche Aktivität
  • Übelkeit/Erbrechen oder Licht- und Geräuschempfindlichkeit

Wenn die Attacken zudem schon mehrfach auftraten und von vier bis 72 Stunden anhielten, spricht das für die Diagnose Migräne. Diese Kriterien sollen allerdings nur als Hinweis dienen – ein Besuch beim Arzt ist unumgänglich!


Wie ist der Verlauf einer Migräne?
Etwa zwei Tage vor der eigentlichen Attacke beginnt die Vorbotenphase. Gereiztheit, Depressionen, Müdigkeit, Probleme mit der Konzentration, aber auch das genaue Gegenteil wie hohe Motivation und Euphorie können die Attacke ankündigen. Ein Drittel der Patienten bekommt extremen Heißhunger auf Süßigkeiten, insbesondere Schokolade.

Nach der Vorbotenphase folgt bei 15-20% der Patienten die Auraphase. Sehstörungen, Sensibilitäts- und Gleichgewichtsstörungen oder auch Sprachstörungen sind typische Symptome dieser Form der Migräne, die bis zu 60 Minuten andauern können. Bei der Mehrheit der Migränepatienten entfällt diese Phase.

Anschließend setzt die Kopfschmerzphase ein, begleitet von Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Licht-, Lärm- und Geruchsempfindlichkeit und Appetitlosigkeit. Jegliche Anstrengung wie Treppensteigen wird zur Qual. Die Schmerzen wüten von vier bis zu 72 Stunden.

Danach folgt die Rückbildungsphase, in der die Schmerzen und Symptome bis zur vollständigen Genesung langsam abnehmen. Der Patient ist müde und antriebslos. Diese letzte Phase kann bis zu 24 Stunden andauern.


Welche Arten der Migräne gibt es?
Migräne gibt es sowohl mit als auch ohne der sogenannten “Aura”. Schon 400 v. Chr. stellte Hippokrates erstmalig die Aura fest und sah als Ursache „Dämpfe, die vom Magen in den Kopf aufsteigen“. Als Aura werden neurologische Reiz- oder Ausfallerscheinungen bezeichnet, die meist vor der eigentlichen Migräneattacke, in seltenen Fällen auch während der Kopfschmerzen auftreten. An Migräne mit Aura leidet der geringere Teil der Patienten, circa 15% bis 20%. Migräne mit Aura kann sich folgendermaßen auswirken:

  • visuelle Störungen, wie Verlust des räumlichen Sehens und unscharfes Sehen
  • Gefühlsstörungen
  • Lähmungen
  • Sensibilitätsstörungen, wie Verlust der Berührungsempfindung oder Kribbelempfindungen
  • Doppelbilder
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Sprachstörungen

Diese Aurasymptome können von fünf bis 60 Minuten andauen. Typisch ist eine gewisse Dynamik der Symptome: z.B. Treten erst Sehstörungen auf, die sich dann zu Gleichgewichtsstörungen und/oder Sprachstörungen entwickeln. Diese Dynamik sowie das langsame Einsetzen und Abklingen unterscheidet die Migräne von anderen neurologischen Krankheiten. Nachdem der Patient die Aura überstanden hat, beginnt der Kopfschmerz – zumindest in den meisten Fällen. Allerdings gibt es, insbesondere bei Männern, auch das alleinige Auftreten der Aura, ohne jegliche Kopfschmerzen.


Wie entsteht Migräne?
Ursache und Auslöser müssen unterschieden werden: Die Ursache für Migräne ist nicht endgültig geklärt. Mediziner gehen davon aus, dass die Veranlagung zur Migräne über Generationen hinweg weitergeben wird. Ausgelöst wird sie grundsätzlich durch Unregelmäßgikeiten und Schwankungen im Lebensstil. So begünstigen Stress, ein unregelmäßiger Biorythmus mit entweder zu viel oder zu wenig Schlaf und äußere Faktoren, wie bspw. Wetterwechsel, die Schmerzen. Auch nach besonders stressigen Phasen tritt häufig Migräne auf, die sog. „Wochenendmigräne“. Ein weiterer Schlüsselfaktor bei Frauen sind hormonelle Schwankungen: besonders in der späten lutealen Phase des Zyklus oder in der einnahmefreien Zeit bei der Empfängnisverhütung tritt Migräne auf. Bestimmte Lebensmittel wie Schokolade, Käse, Rotwein bzw. Alkohol im Allgemeinen und Kaffee können Migräne begünstigen.


Wie kann Migräne behandelt werden?
Migräne ist zwar nicht heilbar, man kann sie aber gut in den Griff bekommen. Wichtig ist zunächst, dass die Krankheit zusammen mit einem Arzt korrekt diagnostiziert wird, um dann die Behandlung individuell an zu passen.
Es gibt einige wirksame Behandlungsmethoden völlig ohne Medikamente. Oftmals hilft es bei einer akuten Migräne bereits, sich in einem abgedunkelten Raum ausruhen zu können, mit einem Eisbeutel oder Pfefferminzöl auf den Schläfen.

Wenn dies nicht mehr hilft, können nach Empfehlung der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) Schmerzmittel aus der Gruppe der Nichtopiod-Analgetika, wie Paracetamol, Ibuprofen, Acetylsalicysäure, Diclofenac, Naproxen oder Phenazon eingenommen werden. Welches Mittel am besten hilft, ist individuell. Wichtig ist, die Mittel frühzeitig einzunehmen, sobald das erste Ziehen im Kopf beginnt. Nimmt man die Tabletten zu spät, dauert es entweder viel länger bis sie helfen oder man bekommt die Schmerzen gar nicht mehr unter Kontrolle. Man muss Abwägen – schliesslich will man nicht bei jedem kleinen Anzeichen Schmerzmittel einnehmen, aber auch nicht den Zeitpunkt verpassen. Die meisten Migränepatienten kennen die ersten Anzeichen sehr genau und können diese gut einschätzen.
Zudem empfiehlt sich von vornherein eine hohe Dosis einzunehmen: ASS und Paracetamol 1.000 Milligramm, Ibuprofen 200 bis 600 Milligramm, Diclofenac 50 Milligramm, Naproxen 500 bis 1.000 Milligramm und Phenazon 500 bis 1.000 Milligramm.

Zusätzlich kann ein Präparat gegen Übelkeit (Antiemetikum) eingenommen werden, welches außerdem die Aufnahme der Schmerzmittel fördert. Dafür empfehlen Ärzte Wirkstoffe wie Metoclopramid, Domperidon oder Dimenhydrinat, die ungefähr eine Viertelstunde vor dem Schmerzmittel eingenommen werden sollten.

Darüber hinaus gibt es spezielle Migränemittel aus der Gruppe der Triptane, wie Sumatriptan, Naratriptan und Eletriptan. Triptane helfen nicht nur gegen die Schmerzen, sondern lindern zudem Begleiterscheinungen wie Übelkeit. Sie sind als als Tablette, Fertigspritze, Nasenspray oder Zäpfchen erhältlich – je nach individueller Verträglichkeit.

Wenn die Migräne häufiger als drei mal pro Monat auftritt, kann der Patient eine Prophylaxe, also vorbeugende Maßnahmen, mit Medikamenten in Erwägung ziehen.

Natürlich weiß man nicht, wann die Migräne ausbricht, das verursacht Stress und eventuell sogar Angst davor. Das begünstigt die Migräne wiederum – ein Teufelskreis. Wichtig ist, die Auslöser wie Stress etc. erst einmal zu erkennen und diese dann möglichst zu vermeiden. Hier kann ein Migränetagebuch helfen. Ziel ist es, die Häufigkeit und Stärke der Attacken zu reduzieren.
Bei einer Prophylaxe mit Medikamenten werden bestimmte Substanzen eingesetzt, die ursprünglich nicht zur Behandlung von Migräne entwickelt wurden. Dazu gehören Betablocker und Kalziumantagonisten. Bewährt haben sich außerdem Antidepressiva und hoch dosiertes Magnesium; deren tatsächliche Wirksamkeit bei Migräne ist allerdings noch nicht belegt.
Auch pflanzliche Heilmittel können helfen. Wissenschaftler in den USA entdeckten, dass der regelmäßig eingenommene Pflanzenextrakt der Pestwurz die Häufigkeit der Migräneattacken deutlich reduzieren konnte. Auch das sog. Mutterkraut soll zur Linderung beitragen.

Eine Reduktion der Migräneanfälle konnte außerdem durch die Anwendung von Botulinum Toxin A (Botox) beobachtet werden. Der tatsächliche Zusammenhang wird derzeit in klinischen Studien überprüft.
Bei der Prophylaxe muss sich der Patient etwas gedulden – ob die Behandlung erfolgreich ist, kann erst nach frühestens zwei Monaten abschließend entschieden werden.

Es gibt allerdings durchaus auch wirksame Prophylaxen ohne Medikamente, die, wie von der DMKG bestätigt, die Häufigkeit der Migräne tatsächlich um durchschnittlich 35-40% vermindern. Dazu zählen Biofeedbackverfahren und Entspannungsverfahren, wie das Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson. Bei Letzterem werden in einzelnen Übungen die Muskeln im Wechsel angespannt und entspannt, unterstützt durch eine bestimmte Atemtechnik. Sobald man diese Technik bei einem Psychologen oder Arzt erlernt hat, kann sie zu hause selbständig durchgeführt werden. Mit der Technik des Biofeedback lernen Migräenpatienten ihre meist unbewusst ablaufenden Körperfunktionen zunächst erkennen um sie anschliessend zu steuern. Verkabelt mit einem Computer über Sensoren am Kopf, bekommt der Patient die Möglichkeit, genau zu sehen, wie sich die Arterien bei Stress im Gehirn erweitern. Durch Kreise auf dem Bildschirm oder an- und abschwellende Töne wird dies visualisiert. So lernt der Patient mit der Zeit, seine Körperfunktionen durch eigene Willenskraft zu steuern.

Häufig wird Ausdauersport wie Joggen, Schwimmen, Radfahren, Nordic Walking oder auch Yoga zur Vorbeugung empfohlen. Durch den Ausgleich und die Entspannung treten Attacken nachweislich seltener auf.

Akupunktur ist als wirksames Mittel der Migräneprophylaxe belegt. Sie wird sogar von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft empfohlen.

Kneipp-Therapie wie Wechselbäder, Wassertreten, Knie-, Schenkel-, Arm- und Gesichtsgüsse werden bei Kopfschmerzen empfohlen, allerdings ist sie nicht medizinisch erwiesen. Sie kann dennoch zu einem ausgeglichenen Lebensstil führen, was die Migräneattacken reduzieren kann.
Besonders wirksam ist die Kombination aus verschiedenen nicht-medikamentösen Verfahren oder auch mit einer medikamentösen Prophylaxe.


Migräne bei Kindern:
10% der Kinder und Teenager vom Grundschulalter bis zum 15. Lebensjahr leiden unter Migräne. Die Attacken sind kürzer und eher beidseitig in der Stirn-Schläfen-Region. Die häufigsten Begleitsymptome bei jungen Patienten sind Schwindel, Gleichgewichtsstörungen und Geruchsempfindlichkeit.

Bei akuter Migräne können die Schmerzmittel Ibuprofen und Paracetamol eingenommen werden, gegebenenfalls ergänzt durch die Anwendung des Prokinetikums Domperidom. Sämtliche Triptane sind erst ab einem Alter von 12 Jahren zugelassen. Ob Triptane tatsächlich auch jungen Patienten helfen, ist noch nicht abschließend bestätigt. Es gibt aber auch für Kinder und Jugendliche alternativen Maßnahmen, die auch Erwachsen helfen, wie Ausruhen im abgedunkelten Zimmer, Pfefferminzöl oder Eisbeutel auf die Stirn.
Als Migräneprophylaxe ist die Wirksamkeit für Flunarizin am besten belegt. Die bereits erwähnten Entspannungübungen und Biofeedbackverfahren helfen jungen Patienten teilweise. Dagegen scheinen diätische Maßnahmen keinen Linderung oder Reduzierung der Attacken zu erzielen.

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